Die Ehrverletzungsdelikte sind in Art. 173 bis 178 StGB geregelt.
Sie lassen sich folgendermassen einteilen:
Tatsachen sind empirisch feststellbar, können also nachgewiesen oder weiterverbreitet werden. Bei Werturteilen ist das nicht möglich. Gemischte Werturteile enthalten einen Tatsachenkern („A. ist ein Idiot, er hat seine Freundin betrogen“), sie werden v.a. als Tatsachenbehauptung behandelt.
Geschütztes Rechtsgut ist die Ehre, d.h. der Anspruch einer Person auf Geltung. Das Strafrecht schützt nur den menschlich-sittlichen Bereich; keine Ehrverletzung liegt vor, wenn jemand hinsichtlich seiner beruflichen, künstlerischen, sportlichen usw. Ehre herabgesetzt wird, wobei beides schwierig zu unterscheiden sein kann (Unfähigkeit im Beruf kann auch auf einen charakterlichen Mangel schliessen lassen).
Nur Individuen sind geschützt; der Angriff gegen „die Jäger“ ist daher nicht tatbestandsmässig (entscheidend ist die mögliche Eingrenzung auf einen engeren Personenkreis).
Ehrverletzungsdelikte sind Antragsdelikte. Antragsberechtigt ist der Verletzte. Bei juristischen Personen ist das Organ, das die verletzten Interessen zu wahren hat, antragsberechtigt (VR; Vereinspräsident). Auch nicht direkt Betroffene können u.U. verletzt sein, z.B. der Ehemann der als Hure beschimpften Frau). Die Frist dauert drei Monate (Art. 31 StGB).
Erfolgt die üble Nachrede oder die Verleumdung gegen einen Verstorbenen oder verschollen Erklärten, steht das Antragsrecht den Angehörigen zu. Der Täter bleibt aber straflos, wenn er die Tat erst 30 Jahre oder mehr nach dem Tod bzw. der Verschollenerklärung begeht (Art. 175 StGB).
Die Art der Ehrverletzung ist belanglos; sie kann mündlich, schriftlich, durch Bild, Gebärden oder andere Mittel erfolgen.
Üble Nachrede (Art. 173 StGB)
Bei der üblen Nachrede (Art. 173 StGB) beschuldigt oder verdächtigt jemand einen anderen bei einem Dritten ehrenrühriger Tatsachen; auch wer solche Tatsachen weiterverbreitet, handelt tatbestandsmässig. Ehrenrührig ist z.B. die Behauptung, der Täter sei vorbestraft bzw. ein Straftäter, habe Steuern hinterzogen, plane einen landesverräterischen Putsch, sei wortbrüchig, ein Lügner oder ein Ehebrecher. Die Tat ist mit Kenntnisnahme vollendet.
Der Vorsatz erfordert, daß sich der Täter der Ehrenrührigkeit bewusst ist. Es ist für die Erfüllung des Tatbestandes unerheblich, ob die Tatsache zutrifft oder nicht; auch subjektiv ist nicht notwendig, daß der Täter eine falsche Behauptung als falsch erkennt oder in Kauf nimmt. Weiss er mit Sicherheit, daß die Aussage falsch ist, liegt Verleumdung vor.
Es reicht, wenn der Betroffene nach den Umständen erkennbar ist, auch wenn er nicht namentlich genannt wurde.
Bei wahren Tatsachen kann allerdings ein schutzwürdiges Interesse bestehen, dass unehrenhafte Verhaltensweisen bekannt werden (z.B. wenn sich jemand nach einer Veruntreuung als Kassier bewirbt). Deshalb existiert der Wahrheitsbeweis. Zum Wahrheitsbeweis wird nur zugelassen, wer eine begründete Veranlassung zur Beschuldigung, Verdächtigung oder Weiterverbreitung hatte, oder wer nicht überwiegend in der Absicht handelte, jemandem Übles vorzuwerfen (d.h. zu beleidigen oder jemanden zu Fall zu bringen; insbesondere Aussagen über das Privat- oder Familienleben sind unzulässig). Der Ausschluss vom Wahrheitsbeweis setzt voraus, daß beide Anknüp- fungspunkte fehlen.
Gegenstand des Wahrheitsbeweises ist nicht allein, daß die behaupteten usw. Tatsachen mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Es reicht auch, wenn sich eine Behauptung nachträglich als wahr erweist.
Auch der Nachweis, daß der Täter ernsthafte Gründe hatte, die Tatsachen in guten Treuen für wahr zu halten, ist zulässig und ausreichend (Gutglaubensbeweis). Hier kann sich der Täter naturgemäss nur auf Tatsachen stützen, die ihm zur Zeit der Äusserungen bereits bekannt waren.
Ernsthafte Gründe, die Tatsachen in guten Treuen für wahr zu halten, hat der Täter, wenn die Beschuldigungen nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern sich auf ernsthafte Anhaltspunkte stützen können. Er hat die Anhaltspunkte aber, soweit nach den Umständen angezeigt und zumutbar, auf ihre Wahrheit zu überprüfen; Äusserungen von Dritten sind nicht in jedem Fall ernsthafte Anhaltspunkte.
Gelingt der Wahrheits- oder Gutglaubensbeweis, so ist der Täter „nicht strafbar“. Ob damit die Rechtswidrigkeit oder die Schuld ausgeschlossen ist, ist strittig.
Bei gemischten Werturteilen ist die Werturteilskomponente durch den Beweis soweit gedeckt, als der zutreffende oder als wahr geglaubte Tatsachenkern dazu objektiv Anlass geben konnte; was darüber hinaus geht, ist als Beschimpfung strafbar.
Statt den Wahrheitsbeweis zu führen, kann der Täter die Aussage als unwahr (nicht nur unbewiesen!) zurücknehmen. Der Richter kann die Strafe mildern oder davon befreien (Ziff. 4).
Subsidiär zum Wahrheits- oder Gutglaubensbeweis kommen die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zur Anwendung, insb. die Amts- oder Berufspflicht oder die Aussagepflicht als Zeuge.
Die Presse geniesst in diesem Bereich an sich keine Vorzugsstellung. Immerhin darf sie nach Art. 28 Abs. 4 StGB straflos über öffentliche Verhandlungen und amtliche Mitteilungen von Behörden berichten, so dass die Weiterverbreitung von auf solche Weise erfahrenen Ehrverletzungen straflos ist.
Die Strafbarkeit von Medien richtet sich nach Art. 28 StGB. Es findet eine sog. Kaskadenhaftung statt: Wird eine strafbare Handlung durch die Veröffentlichung in einem Medium begangen und erschöpft sie sich in dieser Veröffentlichung, so ist nur der Autor strafbar. Nur wenn der Autor nicht ermittelt oder in der Schweiz nicht vor Gericht gestellt werden kann, ist der verantwortliche Redaktor nach Art. 322bis StGB strafbar. Fehlt ein Redaktor, ist jene Person nach Art. 322bis StGB strafbar, die für die Veröffentlichung verantwortlich ist.
Hat die Veröffentlichung aber ohne den Willen oder gegen den Willen des Autors stattgefunden, ist der Redaktor als Täter strafbar; fehlt ein solcher, die für die Veröffentlichung verantwortliche Person. (Sie sind als Täter der durch die Veröffentlichung begangenen Straftat, nicht wegen Art. 322bis StGB strafbar!).
Verleumdung (Art. 174 StGB)
Die Verleumdung (Art. 174 StGB) unterscheidet sich von der Ehrverletzung dadurch, dass die ehrenrührige Tatsachenbehauptung wider besseres Wissen erfolgt.
Auch diese Tat kann nur gegenüber einem anderen erfolgen. Tathandlung ist auch hier die Beschuldigung, die Verdächtigung und die Weiterverbreitung.
„Wider besseres Wissen“ meint dolus directus (direkten Vorsatz), Eventualvorsatz reicht nicht.
Der Tatbestand ist qualifiziert, wenn der Täter die planmäßige Untergrabung des guten Rufes einer Person beabsichtigt.
Wenn er seine Äusserungen als unwahr zurückzieht, kann er milder bestraft werden.
Beschimpfung (Art. 177 StGB)
Beschimpfung (Art. 177 StGB) ist ausschliesslich anwendbar, wenn die Äusserungen dem Verletzten gegenüber erfolgen; auch bei reinen Werturteilen ist nur Beschimpfung gegeben.
Wer jemanden durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, handelt tatbestandsmässig. Vorsatz ist gegeben, wenn sich der Täter der Ehrenrührigkeit der Aussage bewusst ist.
Bei gemischten Werturteilen ist der Täter nach erfolgreichem Entlastungsbeweis i.S.v. Art. 173 StGB nur nach Art. 177 StGB strafbar, wenn das Werturteil nicht gestützt auf die Tatsachen sachlich vertretbar war.
Bei ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen, die nur unter Art. 177 StGB fallen, weil sie nur dem Beschimpften gegenüber erfolgen, sind Art. 173 Ziff. 2 und 3 StGB (Entlastungsbeweis) analog anwendbar.
Wenn die Beschimpfung unmittelbar nachher mit einer anderen Beschimpfung oder einer Tätlichkeit erwidert wird (Retorsion), kann der Richter einen oder beide von Strafe befreien. Das ist analog auch anwendbar, wenn eine Tätlichkeit mit einer solchen oder mit einer Beschimpfung erwidert wird.
Bei politischen Auseinandersetzungen ist StGB 177 zurückhaltend anwendbar.