#647 Vergewaltigungsprozess in Chur: Muss ein Vergewaltigungsopfer die Beine zusammenpressen?

Fragwürdige gerichtliche Erwartungen an das Opfer oder ungenaue Berichterstattung?

Laut Tages-Anzeiger soll das mutmassliche Opfer einer Vergewaltigung vor dem Kreisgericht Plessur mit der Frage eines Richters konfrontiert worden sein, „dass sie nicht unkräftig gebaut sei. Wenn sie die Beine zusammenpresse, dürfte es aufgrund seiner Erfahrung schwierig sein, in sie einzudringen.“ Warum ist diese Frage problematisch? Was impliziert sie? Wurde die Frage wirklich so gestellt? Wie berichtet der Blick in seinem Ticker darüber? Angenommen, diese Frage ist so gefallen: Wie reagiert man als Anwält:in des mutmasslichen Opfers auf eine solche Frage des Gerichts? Und wie, wenn die Verteidigung ähnlich argumentiert? Duri betont, dass die Verantwortung für das Einverständnis bei der sexuellen Interaktion beim potenziellen Täter liegt und nicht durch fehlende Abwehrmassnahmen des Opfers legitimiert werden kann. Die Erwartung, dass ein Opfer bestimmte physische Gegenwehr leisten muss, um als glaubwürdig zu gelten, ist eine problematische Täter-Opfer-Umkehr. Feedback, Fragen oder andere Meinungen? Schreiben Sie an bonin@blra.ch.

Als Strafverteidiger erhält man Einblicke in die unglaublichsten Fälle und arbeitet eng mit sehr unterschiedlichen und spannenden Menschen zusammen. Im Podcast Auf dem Weg als Anwält:in versucht der Anwalt Duri Bonin gemeinsam mit seinen Gesprächspartnern (Beschuldigte, Verurteilte, Staatsanwälte, Strafverteidiger, Gutachter, Opfer, Unschuldige, Schuldige …) zu ergründen, wie diese ticken, was sie antreibt und wie sie das Rechtssystem erleben. Behandelt werden urmenschliche Themen. Bei genauerem Hinsehen findet man Antworten auf eigene Fragen des Lebens und der Gesellschaft.

Links zu diesem Podcast:

Die Podcasts „Auf dem Weg als Anwält:in“ sind unter https://www.duribonin.ch/podcast/ oder auf allen üblichen Plattformen zu hören 🎧. Dort einfach nach ‚Duri Bonin‘ suchen und abonnieren.